Freitag, Februar 09, 2007

Unsere Liebe Frau vom Himmelreich, Eggerode - 1

Eine kurze Geschichte des Ortes Eggerode und seines Heiligtums,
verfaßt 1957 von Bernhard Pelle, Eggerode

Im Münsterlande, ganz im Süd-Osten des Kreises Ahaus, da, wo die drei Kreise Ahaus, Coesfeld und Steinfurt sich berühren, liegt träumend und versteckt im lieblichen Tale der Vechte das Dorf Eggerode, ein uralter Wallfahrtsort "Unserer Lieben Frau vom Himmelreich".
Diese einfache Tatsache genügt, ihm einen sichtbaren, leuchtenden Vorzug vor vielen anderen Wohnplätzen der Menschen zu geben. Der Ort hat aus diesem Grunde eine besondere Weihe, die niemand, nicht Zeit noch Umstände, ihm rauben können. Man muß an einem warmen Sommernachmittag im Bannkreis von Kirche und Gnadenkapelle gestanden haben, um zu merken, daß alles Schöne der Natur, der Landschaft, womit unsere münsterländische Heimat so reich begütert ist, ihre Ergänzung und Krönung doch zuletzt in seinem Heiligtum, unter wuchtigen 600- bis 800jährigen Linden findet, in der Madonna zu Eggerode. Früher haben Eggerode und sein Gnadenbild große Tage gesehen. Gehörte doch der Ort im Mittelater zu den berühmtesten Marienwallfahrtsstätten Deutschlands. Später ist er leider in Vergessenheit geraten. Und doch ist er ein so schönes Kind unserer Heimat. Von welcher Seite man sich auch dem Dorfidyll nähert, ob von der nächsten Bahnstation Darfeld oder Horstmar aus, oder von Schöppingen, Asbeck oder Osterwick, überall ist es eine recht anmutige Gegend, auf deren Pfaden man ins Eggeroder Tal gelangt. Grüne Wiesen, wogende, üppige, von alten Wallhecken eingeschlossene Felder, welchseln ab mit herrlichen Buchen- und Eichenwäldern. Besonders lieblich ist der Fußweg, der von Darfeld durch den großen schattigen Burloer Wald, an den Ruinen des Zisterzienserklosters Klein-Burlo vorbei nach Eggerode führt, der bekannt ist unter dem Namen "Paoterspättken".
Die landschaftlichen Vorzüge, die Lage im Vechtetal, der fruchtbare Boden unterstützen die Annahme, daß diese Gegend schon sehr früh bewohnt war. In und um Eggerode lassen sich noch heute die Kulturstätten der germanischen Gottheiten nachweisen. Auch die Tatsache, daß Eggerode ein Wallfahrtsort ist, scheint darauf hinzuweisen. Die christlichen Sendboten errichteten mit Vorliebe eine Kirche an dem Orte, wo früher eine Verehrungsstätte heidnischer Götter war. Die erste Niederlassung, aus der Dorf und Kirchspiel entstand, war wohl der sogenannte Schulzenhof, der in einer Urkunde aus dem Jahre 1230 erwähnt wird, dessen Besitzer die Gebrüder von Ekkenroth waren. Der Hof war mehrere Jahrhunderte im Besitz der Adelsfamilie von Strick, einer der ältesten Burgmannsfamilien von Horstmar; jetzt gehört er dem Schulzen Eggenrodde.
Immer aber steht die Geschichte von der Pfarrgemeinde Eggerode und seiner Kirche in unmittelbarer Verbindung mit dem Gnadenbild "Unserer Lieben Frau vom Himmelreich". Das eine hat hier das andere wesentlich bedingt. Diesem wunderbaren Bilde, das ursprünglich in einer Kapelle, später im Hochaltar der Kirche ausgestellt war, verdankt Eggerode als geschlossener Ort seine Entstehung, wie seine besondere Weihe. Da das Bild, welches zu allen Zeiten als sehr wundertätig galt, viel besucht wurde, siedelten sich Kaufleute und Handwerker usw. um die Kapelle an. Wann die Gemeinde, die zeitweise Filialkirche von Schöppingen war, selbständige Parochialrechte ausüben konnte, steht nicht mit Sicherheit fest. In den Verzeichnissen der Pfarrkirche und Benefizien der Diözese Münster kommt die Pfarrkirche von Eggerode am 11. April 1313 erstmalig vor.
Die Geschichte der Pfarrgemeinde Eggerode ist aufs engste mit der Wallfahrt verbunden. Das wundertätige Gnadenbild "Unserer Lieben Frau vom Himmelreich", eine ca. 70 cm hohe Holzplastik, stellt die Mutter Gottes als Königin dar. Die Madonna sitzt auf einem Thronsessel und hält mit der linken Hand den auf ihrem Schoß sitzenden Jesusknaben. In der rechten Hand hält sie ein goldenes Zepter, das Zeichen der Königin. Die Häupter der Mutter und des Kindes sind mit schweren goldenen Kronen geschmückt. Freundlich lächelnd blickt die Madonna den frommen Beter an, und das Jesuskind hebt segnend zwei Finger der rechten Hand, während die linke Hand ein Buch mit einem Kreuz an die Brust drückt. Große Milde und mütterliche Güte gehen trotz der königlichen Würde von diesem Bilde aus und teilen sich dem gläubigen Pilger mit. Früher war es mit seidenen Gewändern bekleidet. Alte Adelsgeschlechter wetteiferten um die Ausstattung des Gnadenbildes und gaben zur Bekleidung ihre besten Prunkstücke her. Besonders waren es die Gemahlinnen der Erbgrafen Droste zu Vischering auf Schloß Darfeld, die es sich zur Ehre anrechtneten, ihre schwerseidenen Brautkleider der Madonna zu Eggerode zu schenken. Doch ordnete Bischof Johann Georg von Münster die Entfernung der Bekleidung an. Wann die Madonna nach Eggerode kam und woher sie stammt, ist mit Bestimmtheit nicht zu sagen. Verschiedene Kunstkenner, die im Laufe der Jahrhunderte nach hier kamen, behaupten, daß das Bild aus dem elften oder zwölften Jahrhundert stammt und wohl durch die Kreuzfahrer (1096-1270) aus dem Orient nach Deutschland gebracht wurde. Auch eine der ältesten Legenden, wonach die vorerwähnten Herren von Strick das Bild mitbrachten, bestätigt diese Annahme, ebenso der byzantinische Chrakter der Arbeit. Ferner sei hingewiesen auf die unabhängige Haltung des Kindes zur Mutter und die Platzierung auf dem linken Knie, die man fast immer bei Bildern aus dieser Zeitperiode findet. So, wie es uns heute entgegentritt, verfehlt es seinen großen Eindruck nicht. Die Madonna gehört gewiß zu den schönsten und ansprechendsten Gnadenbildern Deutschlands. Zu allen Zeiten pilgerten denn auch gläubig-fromme Menschen nach Eggerode, um hier die Gnadenmutter, bei der, wie der hl. Bernhard sagt, noch niemand eine Fehlbitte getan hat, um ihre Fürbitte anzuflehen. Tausende und aber Tausende sind es im Laufe der Jahrhunderte gewesen.

(Fortsetzung folgt)

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